Freitag, 16. Mai 2008

Aufwand für`s Abkacken

Wenn man die jungen Menschen heute so sieht, ungezwungen, fröhlich, leicht und scheinbar unbesorgt, dann wird`s schon auch mal schwer ums betagte Herzl. In manchen Situationen erinnert man sich an die eigene Jugend, vorwiegend an die schönen Erlebnisse. Hin und wieder entfleucht einem ein melancholischer Seufzer: "Ich möchte auch noch einmal soooo jung sein!".

In diesen Momenten sollte dem Leichtsinnigen so eine Art "back-to-teenage-time--feel it!"-Beamer die Realität wieder vor die verklärten Augen führen. Mit einer teenagenden Tochter weiß ich auch genau, wovon ich rede bzw. worüber ich schreibe. So manche Ereignisse aus der Vergangenheit lassen eine gestandene Frau in den Dreißigern auch heute noch mehr oder weniger intensiv erröten. Was gab es da an Peinlichkeiten! Ich für meinen Teil bin froh, dass ich das hinter mir habe.

Nur ein Beispiel: (Achtung: das dauert jetzt länger!)

Freitags geht Sarah erst später zur Schule. Meistens schläft sie bis kurz vor knapp und dann wirds herktisch. Aber neulich stand sie früh bei Zeiten auf, im Morgengrauen für ihre Verhältnisse, verschwand im Bad und blieb dort ganze Ewigkeiten. Allmählich, so nach ca. ein einhalb Stunden konnte ich nicht anders. Ich hatte Kaffe getrunken, und der forderte jetzt sein Recht. Ich wagte mich in die Höhle der Löwin, natürlich mit vorheriger, äußerst sensibler, akkustischer Anmeldung: "Klopf, klopf, ... darf ich bitte mal rein ins Bad?"

Meine Tochter, die Mähne auf Lockenwickler gedreht, was alleine schon fast ne Stunde gedauert haben muß!, das Gesicht sehr nett geschminkt, die Fingernägel kunterbunt aufpoliert, sieht mich an wie ein ekliges Insekt und stöhnt genervt: "Man, nie hat man mal seine Ruhe!" Ich verkneife mir jeden Kommentar, steuere zielstrebig auf das Örtchen meiner Wünsche zu und könnte heulen.

Das Bad wurde gestern mittels Großputzaktion bis in den kleinsten Winkel von mir eigenhändig gecleant und desinfiziert. Der strahlende Glanz, der frische Duft der chemischen Frühlingsbrise und die stolz vor sich hin blitzenden Spiegel und Fenster waren doch tatsächlich nur noch eine schöne Erinnerung. Was war passiert? Die Erklärung ist einfach:

Unser Augensternchen hat sich eine ausgiebige Haarwäsche mit anschließendem Duschbad gegönnt. Die Wand- und Bodenfliesen sind gesprenkelt mit Seifenschaum, alles tropft und trieft. Die Rester, die eine schwarze Haartönung hinterläßt, erinnert an Russ. Wie man dem Anblick der Badewanne entnehmen kann, hat sie sich auch rasiert und die Fuß- und Fingernägel geschnitten. Das Wasser in der Wanne wird von Badeutensilien und Haarbüscheln am Abfließen gehindert... Spiegel und Fenster sind vom Wasserdampf angelaufen... Ich bin der Ohnmacht doch sehr nahe, was mein Sproß zwar bemerkt, sie jedoch nicht aus der Ruhe bringen kann.

Vorwurfsvoll sagt sie: "Du mußt ja auch unbedingt jetzt reinkommen... Außerdem räume ich dann sowieso alles noch weg, keine Sorge. " Mit Blick auf die Uhr konnte ich mir die Frage nicht verkneifen, ob sie heute noch in die Schule muß oder erst nach dem Wochenende. Dafür ernetete ich nen giftigen Blick und ein beinahe hyperventilierendes herzhaftes Schnauben.

Mein eigentliches Vorhaben, nämlich das Entleeren meiner prall gefüllten Blase, mußte ich dann doch noch verschieben, weil ich die Toilette unter einem Berg von nassen Handtüchern, Kämmen und Bürsten, Wäsche und Kosmetikartikeln nicht finden konnte. Praktisch veranlagt, wie ich nun mal bin, wollte ich alles auf einmal ansacken und in eine halbwegs noch trockene Ecke verlagern. Meine Hände hatten den Wäscheberg noch nicht ganz berührt, da plötzlich ging ein Mark erschütternder Schrei durch das Bad: "Nee, um Gottes Willen - nichts anfassen!" Ich stand da wie vom Blitz getroffen, völlig paralysiert, erschrocken, schockiert - was kommt jetzt?!

Fassungslos, mein Herz noch immer am Rasen, lauschte ich ihrer Erklärung, dass der Haufen kein Haufen, sondern ein aufgebautes System sei, dass ich ja nicht durcheinander bringen dürfte, weil sie sich sonst totsuchen würde! Aha, System also. Ich stellte ihr ein Ultimatum von ca. 3 Sekunden, damit ich endlich das tun könnte, weshalb ich rein gekommen bin. Um sie zu motivieren betonte ich auch: "Je schneller ich fertig bin, desto fixer haste hier wieder deine Ruhe, kannst dich fertig machen und aufräumen!"

Die restliche Zeit im Bad verbrachte ich mit geschlossenen Augen und war ganz schnell wieder weg. Nach Ewigkeiten, in der Zwischenzeit hatte ich den Geschirrspüler ausgeräumt und neu bestückt, die Betten gemacht, Kleinkram weggeräumt, ein Zigarettchen geraucht, den Müll rausgetragen und meine E-mails abgerufen, kam Sarah dann aus dem Bad. Hinter ihr eine Wolke wohlriechender Düfte von Shampoo, Haarspülung, Haarfestiger, Haarwax, Duschbad, Körperlotion, Parfüm...

Ich zwang mich dazu, ja nicht das Badezimmer zu betreten! Meine Neugierde, ob sie die Trümmer schon beseitigt hatte, hielt sich wahrlich in Grenzen - also kümmerte ich mich derweil um meine Pflanzen. Wieviel Zeit vergangen war, keine Ahnung, es war aber nicht nur eine Stunde... stand meine Tochter ordentlich aufgebrezelt und gestylt vor mir, drehte sich gut gelaunt dreimal um die eigene Achse, ginst: "Na, wie findest du`s?`"

Wow, sah mein Kind toll aus! Die Mähne aufgelockt, kein Strähnchen lag da zufällig irgendwo, ein tolles Make up, übereinstimmend mit dem passenden Outfit und den Fingernägeln - nee, echt Top! Wenn man nicht weiß, wer alles welche Opfer für so ein perfektes Aussehen bringen mußte, gibt es die volle Punktzahl.

Jeder, der Teenager kennt, weiß auch, dass ihr Tun oder Lassen nicht immer einen speziellen Grund braucht. Und auch jeder kennt die Antworten, die die Gören geben, wenn sie keine Lust haben zu reden oder was zu erklären... Das Einfachste ist: hinter derartigem Aufwand vermutet frau ganz selbstverständlich einen Schwarm oder die ganz große Liebe. Ich nicht (mehr)!

Allerdings gewann die Neugier dann doch die Oberhand und so fragte ich sie mutig nach dem Sinn des Aufwandes. Fast schon hätte ich es bereut, denn ihre so feierlich strahlende Zufriedenheit schien sich in der Säure der Tatsachen aufzulösen... Sie sah mich an, gab ihrem Körper eine gewisse Spannung, warf theatralisch und etwas trotzig den Kopf in den Nacken und sagte betont zickig mit Blick in den Spiegel: "Heut ist in Musik Liedkontrolle. Und wenn ich schon vor der ganzen Klasse abkack`, dann will ich wenigstens gut aussehen dabei!"

Was bin ich stolz auf mein Goldkind!

Als sie dann zur Tür raus war, ich schwitzend und zähneknirschend mein verwüstetes Bad wieder in Ordnung brachte, dachte ich so an unseren Musikunterricht.

Unser Musiklehrer in der Oberstufe war ein cooler Typ, der unsere kläglichen Sangesversuche auf dem Klavier schwitzend und stöhnend begleitete. Speziell bei einem unserer Jungs machte er sich immer den Spaß, ihn aufzurufen und die Wartezeit (Der Weg von der vorletzten Bank bis vor zum Lehrer war wie der Gang zur eigenen Hinrichtung! Das dauerte manchmal länger als der Vortrag des doofen Liedes..) mit dem permanenten Anschlagen des hohen C`s mit dem Hinweis: " Und bitte denken Sie daran - das Lied hat eine Melodie!" zu überbrücken. Klar, wir haben uns alle köstlich amüsiert. Insgeheim war aber jeder froh und glücklich, dass der Lehrer das nur bei ihm getan hat..

Liedkontrolle war so das Allerschlimmste, was einem passieren konnte - egal in welchem Alter, doch je älter man wurde, desto bewußter wurde man sich der Peinlichkeit. Das Gefühl, komplett nackt vor der Klasse zu stehen und jeder zeigt mit dem Finger auf dich, kennen wohl alle. Leistungskontrollen im Sportunterricht (das Mysterium Körper in diesem Alter noch voll zur Schau gestellt!) und Gedichte ansagen - die drei erniedrigendsten, sich ständig bis zum Schulabschluss wiederholenden Entwürdigungen.

Schockiert über die Tatsache, dass es diese drei Gemeinheiten auch heute noch in der Schule gibt, frage ich mich: Wo, um alles in der Welt, ist Amnesty international?!

2 Kommentare:

  1. Sarah wird doch nicht mit anderen Jungs rummachen

    Ich erinnere euch nur ungern aber versprochen ist versprochen und bereite Sie bitte darauf vor wo sie wohnen wird

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  2. Na nun mal ganz langsam!!

    Und ausserdem, nur über meine verrottete Leiche!

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