Mittwoch, 21. Mai 2008

Ladys-Night

Es gibt Dinge im Leben, die viel Fleiß erfordern. Manchmal wird man dafür mehr oder weniger gebührend gelobt, selten so, wie man es sich tief im Herzen wünscht, manchmal auch gar nicht. Es gibt aber noch die Option, einfach nur mit dem Ergebnis zufrieden zu sein und sich daran heimlich, still und leise zu erbauen. Diese bescheidene Variante ist wohl auch die Üblichste im Alltag und erfordert ein hohes Maß an Selbstsicherheit und eine gewisse Frustrationstoleranz.

Unsere teenagende Sprössin hat mit dem Umzug ins Häuschen auf`m Dorf an vielen Freiheiten dazugewonnen, die sie mittlerweile teilweise zu schätzen weiß. Naürlich gibt es Vorteile nur zum Preis der Nachteile und so oder so ähnlich lernt auch der Nachwuchs Prioritäten zu setzen.

Da ein paar Leute mehr (nennen wir sie zusammenfassend: Besuch) hier überhaupt nicht auffallen, wir nicht mehr ständig auf irgendwelche psychisch kranken und geistig umnachteten Nachbarn Rücksicht nehmen müssen, die eine Mietwohnung versehentlich für eine Urne halten und den Rest des Hauses für den Friedhof, und der Platz für Schlafgäste durchaus ohne größere Einschränkungen für uns Eltern möglich ist, lud unser Töchterchen zur zweiten Ladys-Night.

Die erste Auflage dieses erhebenden Ereignisses fand im März diesen Jahres statt. Die drei Mädels hatten sich ne Menge vorgenommen und absolvierten fast punktgenau den Ablaufplan. Die Krönung war der selbst gezimmerte Damen-Bollerwagen in Orange, beschriftet mit den Namen der Damen, bemalt mit Blümchen und Herzchen und gefüllt mit frischen Erdbeeren (wie frisch die unter dem Aspekt dieser Jahreszeit sein konnten, müssen wir nicht jetzt klären, ähäm!), nem Topf Schlagsahne und einer Flasche Sekt. Gezogen wurde des Unheils Vehikel namens "OLGA" am kunterbunten Springseil.

Wer jetzt schon lachen muß, dem schießen beim Anblick des Originals die Tränen beim Feiern waagerecht aus den Augen. Ich spare mir auch an dieser Stelle die Beschreibung des Bauvorganges - das würde echt den Rahmen sprengen. Nur soviel: der Damen-Bollerwagen wurde zum Männertag noch einmal auf die Straße bemüht und steht seit dem funktionstüchtig, aber arbeitslos auf`m Hof. Und jeder, der kommt und das Teil sieht, feixt vor sich hin.

Das kulturgeschwängerte Wochenende begann mit dem gemeisamen Blick in den monatlich für Unruhe sorgenden HipHop-Fashion-Victim-Mailorder (die gemeine Hausfrau unserer Region nennt den Splint im Auge des Verdieners schlicht: "n gaddalog für dä Kinner") unter "Ah", "Oh", "Kreisch" und "Will ich../Muss ich../auch haben wiiiiiiillll!".

Mir kräuseln sich die Fingernägel - dieses Ding - egal, ob englich oder deutsch, ja gut: sächssch- ist das absolute Heiligtum dieser meiner Meinung nach fehlgeleiteten Marken-Generation. Für nen Baseball-Hut, auf cool: "n Cap!", zahlt man da unglaubliche 30 bis 50 vor sich hin glänzende sauer verdiente und/oder gesparte €urönchen.. Diese unverschämten Halsabschneider tragen dann zur Krönung noch Namen, die sich wirklich nur jemand merken kann, dessen Festplatte die 30 Jahre-Frist noch nicht überstiegen hat. Ich glaube, dass wäre mal ein eigenes posting, s wird eh wieder viel mehr als ich eigentlich schreiben wollte, uff!

Ich hatte es wohl schon erwähnt, dass Sarah zwei Zimmer bewohnt - ein Schlafzimmer und ein -wie sie es nennt- Wohnzimmer. Nie im Leben hätte ich geglaubt, dass fast 40 qm für drei Mädels so wenig Platz sein kann! Mit Taschen, Beuteln, Beauty-cases und Freßpaketen wurden die Räume bezogen, in Beschlag genommen und zu neuem Leben erweckt. (Gut möglich, dass altes Leben nicht mehr aufwacht..)

Vergiß das Angebot sämtlicher Drogerie-Ketten! Wässerchen, Cremes, Salben, alles, was Haut, Haar, Nägel und weiß ich so werbungssuggeriert "braucht", fand sich hier in zwei Zimmern wieder. Mit dem Geld, was das ganze chemische und überflüssige Zeugs gekostet haben mag, könnten wir uns 10 neue Fenster einbauen und den Balkonausganng neu gestalten!

Die Krönung war: "Du sag mal, könntest du mir bitte mal ne Zahnbürste leihen?"
Wie ein Mondauto hab ich geguckt und gesagt, dass wir Zahnbürsten nicht verleihen, sondern verschenken. Da freute sich das Marken-Kind. Klar, wo bekommt man heut noch was geschenkt?!

Doch, sie hatten auch an uns gedacht, die lieben Kleinen. Sie haben uns auch ein "Lindt"-Pralinen-Osterhäschen mitgebracht. Was für eine süße Geste. Das Häschen konnte man aufmachen und dann so ganz viele Kleine naschen.. jammie!

Übrigens bin ich seit dem ereignisreichen Ladys-Night-Tag echt überzeugt davon, dass die wirklich keine Drogen nehmen. In dieser Dauerwolke hat Haschisch echt keine Chance! Und ich schwörs: die Flacons, Tübchen und Döschen waren zu dem Zeitpunkt noch zu!

Die Zeit bis zum Abend vertrieben sich die Mädels wie oben beschrieben und naschten so im Durchschnitt jede für sich nen "Lindt"-Pralinen-Kasten leer. Da ich wußte, was die zum Abendessen geplant hatten plus die Schlagsahne und Erdbeeren für Abends unterwegs, spürte und hörte ich ein ganz deutliches "blobb-blobb"- ich mußte fliehen! "blobb-blobb" ist das Geräusch und das Gefühl des sich neu formierenden und sich um die Hüften drapierenden Schwimmringes. Ich muß echt nur neben einer Kalorienbombe stehen und schon hat sich wieder ein neuer Ring gebildet. Nicht auszumalen, was passieren könnte, wenn mein Schweinehund nen tollwütigen Freßanfall bekäme.. Der Fluchreflex jedenfalls war ausgelöst und Mama fort (ob ich meinen Mann einfach so mitgezerrt hatte oder ob er gar freiwillig mitgekommen ist - beides wäre denkbar, wurde jedoch bis heute noch nicht aufgelöst!

Später am Abend trauten wir uns ins Häusl zurück. Die erste Lady, die wir im bewohnten Bereich antrafen, war grün im Gesicht. In so nem kleinen Bruchteil einer Sekunde ging die Gehäßigkeit mit mir durch und neiderfüllt schoß es mir durch den Kopf: "Wenn die schon ni fett werden von dem Zeug, dann wird`s n wenigstens übel davon, hähä!!" Ich bin eben auch nur eine Frau. Da plötzlich erkannte ich unter dem grünen Glibber mit klebrigen Sabbermäulchen (es war dann doch nur ein Naturprodukt: Honig!) unser KIND. Oh Schreck, oh Graus - gehts dir gut?

Die anderen zwei kamen uns freudestrahlend, versteckt hinter einer schlohweißen Anti-Pickel-Wellness-Maske und im feinen Schlafzwirn, entgegen. Ein wenig monströs wirkte die ganze Szenerie auch dadurch, dass aus dem Wohnzimmer die düsteren Klänge eines Horrorfilms in Teenager-Zimmer-Lautstärke drangen. Während sich die Damen bettfein machten, suchte ich fiebernd nach irgendwas Hochprozentigem, den ich mir erstmal doppelt in dreifacher Ausfertigung infiltrieren mußte.

Die fröhliche Runde brauchte etwa so lange im Bad bis das Zeugs bei mir zu wirken begann. Freudig berichteten sie uns wie sie ihren Tag und den Abend erlebt hatten. Ich fühlte eine angenehme Schwere, mein Hirn war leicht betäubt und irgendwie war das gesamte Geschehen so weit weg, dass man meinen konnte, dass es im Fernsehen stattfindet. Und das war auch gut so, denn ich realisierte da noch nicht, dass die tatsächlich mit dem beladenen Bollerwagen durch das Dorf krakeelt sind!

Als die erste Auflage der Ladys-Night vorbei war, waren alle glücklich und zufrieden, und ich gefühlte 10 Jahre älter. Nun war die zweite geplant. Ich bin ja keine Spielverderberin, also lasset die mädels zu uns kommen..

Sarahs Cousine, die gleichzeitig auch ihre Freundin ist und ihr Freund, Sarahs bester Kumpel und Schul-, Weg- und Leidensgefährte. Klingt nicht nur nach ner brisanten Mischung, isse auch.. hin und wieder. Er ist eigentlich bei allem mit dabei, wenn die Mädchen was machen. Und egal, ob es um Desperate Housewifes geht oder um "Flügeltampons", das erste Mal oder die Auswahl der Bademoden für diese Saison - er ist immer mit von der Partie und hat überhaupt gar kein Problem damit. Nein, er macht keinen schwulen Eindruck, eher im Gegenteil. S is n großer hübscher, sportlicher Kerl, sympathisch und auch sonst sehr "elternkompatibel".

Mit ihm jedenfalls saß ich von 16.30 bis 21.00 uhr aufm Balkon, nämlich exakt die Zeit, die die beiden Hühnchen brauchten, um sich im blockierten Badezimmer die Haare zu stylen! Da wir ja unser Häusl um- und ausbauen wollen bzw. dies schon tun, haben wir dummerweise auch die zweite Toilette wohl zu voreilig außer Betrieb gesetzt, zu blöd!

Als die frisch aufgelockten Fräuleins die Bildfläche außerhalb des Bades betraten, mußte man schon sagen: "WOW!" Doch Sarah war noch nicht so ganz fertig, deshalb mußte ich weitere 20 Minuten warten, um endlich aufs Klo gehen zu können. Sie mußte sich, nachdem sie sich um die ondulierte Lockenpracht der Cousine bemüht hatte, selbst erstmal ihre ca. 50 Lockenwickler aus dem Haar entfernen und das Ergebnis zurecht zupfen, fixieren und anschließend ausgiebig bewundern lassen... und Papa noch nen 10er aus`m Kreuze leiern.

ca. 21.30 Uhr verließen sie dann unser Hüttchen, um sich in der Naherholungs-Schänke im Tal ein Abendessen zu gönnen. Aufgebrezelt, schick geschminkt, toll gestylt, beton-gelockt und voller Elan marschierten sie los. Nicht dass ich sie loswerden wollte, aber jetzt endlich konnte ich aufs WC! S war fast schon ein geiles Erlebnis...

Die Teenies waren raus, ich hatte getan, was ich tun mußte und noch ein wenig aufgeräumt, legte mich zufrieden auf mein Sofa, kuschelte mich an mein Bärchen - krack, da ging unten dieTür, watz, das war die Wohnungstür! Es folgten stampfende, eilige Schritte und wieder watz und wieder krack, dann knatterte ein Moped davon. Mein Mann schmunzelte und drückte mich zurück aufs weiche Kissen. Dafür war ich ihm sehr dankbar, obwohl ich mich in solchen Momenten immer frage, woher er diese Ruhe nimmt. Frau darf ja wohl auch misstrauisch werden, oder?

Keine 20 Minuten waren vergangen, da knatterte das Moped wieder. Es dauerte noch ein paar wenige Augenblicke, da kamen meine zwei Grazien errötet, aus der Puste, von der Rolle, genervt und kontrolliert fassungslos (das lag wohl eher an dem ewig langen steilen Berg zwischen dem Zielort und unserem Häusl- da powerd man sich gut aus, hihi) ins Wohnzimmer gestapft. Sie hatten sich noch nicht entschieden, ob sie lachen oder zornig sein wollen: "Die doofe Kneipe macht um 21.00 Uhr die Küche zu! Da war kein Mensch mehr!" Als dann noch der Freund hinter den beiden auftauchte, der, wie sie erklärten, derweil in der Stadt drei Döner besorgt hatte, konnten wir uns vor Lachen nur noch die Bäuche halten!

Die haben den armen Kerl allen Ernstes joggender Weise diesen wirklich fiesen Berg hinauf geschickt, damit der sich aufs Moped schwingen und Döner in der Stadt besorgen kann. In der Zwischenzeit sind die beiden Ladys gemütlich zurückspaziert. Und die einzige Sorge des Freundes war, zeitgleich mit den Mädels anzukommen - sooo süüüüß!

Die beiden Hair-Style-Models (so sahen sie ohne jede Übertreibung echt aus) haben fast fünf Stunden lang so hart an sich gearbeitet - und wofür?

Ja, genau: um sich so richtig wohl und gut zu fühlen in bescheidener Demut.

UND für das Lob von den zwei Alten auf`m Sofa!

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