Sonntag, 25. Mai 2008

Sparfüchse

In Zeiten der allgemeinen Verarmung, Niedriglöhnen, ALG II, 1-€-Jobs und Ehrenamt hat der Mensch speziell in Deutschland nix mehr zu verschenken. Allerdings hält ihn das nicht davon ab, alles geschenkt haben zu wollen.



Natürlich geht es gerade auch im Osten keinem zu gut. Grund zum Jammern gibt es immer reichlich, vor allem wenns ums liebe Geld geht. Ich persönlich rede nicht so gern darüber, weil ich eher von der abergläubischen Sorte bin und überzeugt davon, dass man Unglück auch herbei reden kann. (Der Vorteil des geschriebenen Wortes?) Wer über ein kaum nennenswertes regelmäßiges Einkommen verfügt, der muß die Schraube schon zuweilen ganz schön fest anziehen, um über die Runden zu kommen.



Kurioserweise sind es aber eben nicht diese Menschen, die zu Sparfüchsen mutieren. Diese Leute sind halt sparsam, verzichten lieber einmal auf Extras, kaufen nach Angeboten und rationieren die Mengen ihrer Einkäufe so, dass der Geldbeutel da mitspielt. Größere Ausgaben werden längerfristig geplant und müssen auch mal verschoben werden, wenn die Kinder für eine Klassenfahrt 250 € brauchen, das Auto in die Werkstatt muß oder ne unvorhergesehene Preissteigerung dem Konsumenten die Luft abschnürt... Wie gesagt, das sind die Sparsamen.



Die Spezies Sparfuchs ist eher eine der lästigen Sorte und mir persönlich äußerst suspekt. Nicht nur, dass er alles haben möchte, was der Markt so hergibt. Er will es am liebsten geschenkt und hübsch verpackt frei Haus geliefert mit nem Dankschreiben und Schleifchen dran und einer 10-Jahre-Gewährleistungs- und Rückgabe-Garantie.



Dabei habe ich diese Gattung Mensch eher als weniger sozial benachteiligt erlebt. Meiner Erfahrung nach handelt es sich hierbei um Mitbürger, die einer geregelten, meist tariflich bezahlten Arbeit(szeit) nachgehen und im Traum nicht daran denken würden zwei oder drei Jobs noch nebenher zu erfüllen für die Finanzierung größerer und kleinerer Wünsche.



Meist befinden sich im Besitz des gemeinen Sparfuchses ein Kleinwagen, ein Einfamilienhaus mit Garten und kostspielige, unökonomische Spielwaren/Hobbys für Vater, Mutter und die Kinder. Die Kinder haben die Bikes mit kompletter Sicherheits- und Spezialausrüstung für den Freizeitspaß, die Mama hat jede Menge sinnentfremdete Küchengeräte, die ihr die Arbeiten im Haushalt und im Garten ein wenig erleichtern sollen, und der Papa hat die teure multimediale Technik, natürlich nur vom Allerfeinsten und das Aktuellste aus dem Sortiment des geizgeilen Discounters...



Wie kommt der Sparfuchs zu all seinen Habseligkeiten? Er ist sehr rührig: Er klickt sich mit Hilfe seiner Medientechnik, die so kompiziert einzustellen war, dass es der gute Kumpel mit seinem Bekannten von der Hochschule installieren mußte, durch die virtuelle Welt der Informationen und Angebote. Irgendwann landet er auch mehr oder weniger zufällig auf einer Seite, die ihm genau das zeigt, was er jetzt natürlich unbedingt haben muß - einen Plasma-Bildschirm!



Da gibt es die tollsten Teilchen, in allen Formen und Größen, Ausführungen und natürlich auch Preisen! Anstatt Leistungsparameter mit einander zu vergleichen, vergleicht der Sparfuchs erst die Größe (!), dann die Preise. Die besten Modelle druckt er sich aus, doch schlau und listig wie er ist, dekoriert er die bunten Bildchen handschriftlich mit Preisen seiner Wahl. Des Nachts kann er vor lauter Vorfreude kaum in den wohlverdienten Schlaf finden, weil er sich schon auf den Morgen freut - er hat einen Plan!



Mit den von ihm ausgedrucken, manuell und ideell erstellten Preisen klappert er zuerst die Discounter, dann die bedauernswerten Fachhändler ab. Wer von denen den Sparfuchs wieder auf den Boden zurück holt, weiß ich nicht, ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob so etwas überhaupt möglich ist... Jedenfalls muß sich jeder der armen Verkäufer die Fantasien des Sparfuchses anhören. Doch der Kunde ist König - also muß man ihn hofieren und jede Menge Gedult aufbringen, auch wenn man innerlich stöhnt: "So ein A****loch!"



Die Argumente des schwitzenden und schwer gebeutelten Verkäufers werden mit einem penetranten und sich ständig wiederholenden "Ja, aber..." niedergemetztelt; an guter Erziehung und dezentem Auftreten mangelt es dem Sparfuchs augenscheinlich, denn je öfter "Ja, aber..." bemüht wird, desto lauter und ungehaltener wird er in seiner Wortwahl und Sachlichkeit. Der gepeinigte Verkäufer (speziell der im Discountladen) sucht entnervt und schwitzend jemanden, der ihm beistehen könnte. Mit ein wenig Glück findet er ihn auch. Und so kommt es, dass der gemeine Sparfuchs erst mit dem Abteilungsleiter, dann mit dem Verkaufsleiter und, wenn er so richtig gut und hartnäckig ist, mit dem Manager zu verhandeln pflegt.



Je nachdem wie gut diese Leute dann geschult, Leid geprüft (man sagt: berufserfahren) und professionell sparfuchsresistent eingestellt sind, geben sie entweder nach oder nicht nach oder ein wenig Preisnachlaß oder einen Tip, an welche Geschäfte(macher) er sich noch wenden kann, wenn er sich das hiesige Angebot nicht leisten könne.


Einmal durfte ich so einer Verhandlung zwischen Verkäufer und Sparfuchs ausgiebig beiwohnen. Sie waren beide von der aller feinsten Sorte: beide wandten den Trick "Schallplatte mit Riß" an, was bedeutet, dass jeder ständig seine eigenen Worte bzw. Argumente wiederholt. Das hörte sich dann so an:


Verkäufer: "Ich kann Ihnen aber das Gerät nicht zu Ihren Preisvorstellungen überlassen."


Sparfuchs: "Aber Sie wollen laut Ihrer Webung auch preiswert sein. Und dieses Gerät ist nicht preiswert. Wenn interessiert es hier, ob ich es für 300 € weniger mitnehme!"


Verkäufer: "So einfach geht das leider nicht, und dieses Gerät geht nicht für den von Ihnen gewünschten Preis raus."


Sparfuchs: "Sie wollen doch aber laut Ihrer Werbung auch preiswert sein. Und dieses Gerät ist nicht preiswert. Es interessiert doch keinen, wenn Sie es mir für 300 € weniger verkaufen!"


Verkäufer: "Nein, so einfach geht das leider nicht, ..."


Es sammelten sich um die beiden einige Neugierige, ich hatte einen richtig guten Platz. Damit mein Lauschangriff nicht ganz so offensichtlich wirkte, stand ich hinter einem CD-Regal, genauer: da, wo das eine aufhört und das andere beginnt - sozusagen an der Kreuzung! Da kann frau inkognito stöbern und auch mal lauschen und sich diebisch, aber unbemerkt nen Ast lachen.

Auf Grund meines günstigen Standortes fiel mir auch der Aufmarsch der Angestellten hinter dem Regal auf. Diese steckten alle in in schwarzen Anzügen und dunklen Kostümen, waren zum Erbrechen perfekt gestylt und kamen wahrscheinlich gerade von nem Einkaufsbummel in einer Parfümerie...


Während sich der bemitleidenswerte Angestellte redlich mühte, dem Sparfuchs gegenüber höflich und bestimmt zu bleiben, bemerkte ich doch so im Augenwinkel, dass einer der Beanzugten dirigierende Gestiken vollführte, die mich ein wenig vom eigentlichen Geschehen ablenkten. Die schwarze Masse war allem Anschein nach ähnlich begeistert: man lächelte, feixte, einige drehten sich weg und schüttelten sich... Ich ahnte es!

Der "Dirigent" hüpfte hinter seinem Sichtschutz hervor - landete ein wenig ungelenkt aber dynamisch und zielsicher in der Kundenmenge, die sich mittlerweile angesammelt hatte. Der schweißgebadete Verkäufer wiederholte gerade: "... verstehen Sie doch bitte, dass dieser Preis nicht gerechtfertigt wäre..." Grinsend und mit ausgestrecktem Arm hechtete der vorher noch Fuchtelnde auf den Angestellten und dem Sparfuchs los.

Erschrocken ging der Verkäufer drei Schritte rückwärts und rempelte dabei unsanft eine der Schaulustigen (DAS fand sie weniger lustig!). Der König Kunde zuckte nicht einmal mit der Wimper! Der bewohnte scheinbar vollkommen unberührt die Szenerie... "So ein abgebrühtes Mistschw***", schoß es mir gerade durch den Kopf, als die gesamte Lauschgruppe lachend hinter dem Regal hervor trat.

Mit ausladender Gestik schüttelte der "Dirigent" energisch die feuchten Hände des fassungslosen Verkäufers und schrie in die Menge: "Das haben Sie ja großartig gemacht, Herr Kneiflitz! Sie haben dem schwierigen Kunden nicht nachgegeben. Wie man ihn in eine andere Bahn lenken kann, um sich nicht den ganzen Tag nur um ihn kümmern zu müssen, lernen wir dann nach der Mittagspause. Herr Kneiflitz, Sie sind natürlich auch recht herzlich dazu eingeladen!" Seine Majestät, der "schwierige Kunde" war in dem ganzen Aufmarsch nicht mehr zu sehen. Schämte er sich etwa?!

Die Kundenschar hatte sich herzlichst amüsiert und verstreute sich nun wieder in den Weiten des Angebotes. Als auch ich weiter gehen wollte, sah ich doch wie ein junger Bursche im Anzug, der aussah, als hätte er ihn sich vom großen Bruder geliehen, den armen Herrn Kneiflitz auf die Schultern klopfte. Dieser war noch immer nicht in der Lage zu realisieren, was hier gerade mit ihm passierte.

Bursche feixend zu Herrn Kneiflitz: "Mann, da haste jetzt echt Schwein gehabt!"

Herr Kneiflitz tupfte die Schweißperlen mit zittrigen Händen von seiner Stirn und sagte: "Und ich dachte schon, dass ist schon wieder einer, der das ernst meint!"

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