Montag, 30. Juni 2008

Reinigendes Unwetter

Lang gepflegte Feindschaften sind nicht unbedingt erstrebenswert und lohnend. Dennoch ist es so, dass es sie aus verschiedensten Gründen gibt. Oft wurden die Vorkommnisse nicht geklärt, nicht ausgesprochen und schon gar nicht aus dem Weg geräumt.

Einer meiner Lieblingsfeinde war vor langer, langer Zeit einmal mein Chef. Gelinde ausgedrückt: ein unliebsamer Zeitgenosse! Er verfügte so annähernd über alle Eigenschaften, mit denen ich so gar nix anfangen konnte. Sein Erscheinungsbild war immer steif, unterkühlt und absolut unpersönlich. Auch seine hinterhältige Art und Weise stand ihm direkt ins Gesicht geschrieben.

Ein Mann, dessen Alter ich damals schon in astronomischen Dimensionen einordnete, der sich gern mit wesentlich jüngeren Frauen schmückte und aussereheliche Verhältnisse pflegte (wobei diese Tatsache noch das Interessanteste wäre, was man zu diesem Typ berichten könnte) und sich auch gern von ihnen manipulieren liess.

Während seiner Dienstzeit führte er die jeweils angsesagte Dame zum Essen aus, unternahm Ausflüge und fröhnte seiner sexuellen Abenteuerlust. Es gab auch Gerüchte, dass eben auch dieser Mann verantwortlich gewesen sein soll für einen spektakulären Fund in einem höchst offiziellen Besprechungszimmer - einem Damenslip!

Aufgeflogen ist er zum einen durch seine unendliche Unverfrorenheit und beispiellose Arroganz. Er glaubte wohl, dass keiner sich trauen würde, seine Termine anzuzweifeln und gar zu überprüfen. Irgendwie mußten sich die Beschwerden und Nachfragen so gehäuft haben, dass man sich offiziell gezwungen sah, da mal die Lupe heraus zu holen und genauer nachzuschauen. Die Unregelmäßigkeiten konnten soweit ich weiß auch ohne jede Mühe aufgedeckt werden.

Ein anderer Umstand kam noch hinzu, der zusammenhing mit seinen außerehelichen Aktivitäten. Die ganze Angelegenheit war so richtig übel peinlich. Ihm habe ich diesen Skandal von Herzen gegönnt, aber nicht seiner Frau. Sie war die eigentliche Leidtragende. Augenscheinlich hat sie doch sehr darunter gelitten. In der kleinen Stadt wußte natürlich jeder, was los war und noch ein wenig mehr. Die Leute zeigten buchstäblich mit dem Finger auf ihn. Da ich keine Moralistin bin, außerdem auch die Meinung vertrete, dass es in jeder Beziehung Ecken und Kanten gibt, sind mir seine Ausschweifungen völlig egal. Die beiden sind heute noch als Ehepaar zusammen, haben sich nicht scheiden lassen. Von seinen Affären nimmt entweder keiner mehr Notiz oder er hat gelernt, ein wenig diskreter vorzugehen oder es gibt sie nicht mehr...

Mir war dieser Mensch komplett unangenehm. Wie gesagt, er war mein Chef, sehr wichtig und Termine gab es bei ihm nur zum Generalanschiß. Hatte die Sekretärin zum Termin befohlen, ging ich auch mit richtigen Magenschmerzen dahin. Was Gutes oder Konstruktives oder wenigstens etwas Hilfreiches oder Motivierendes bekam ich nie mit auf den Weg. Man sah ihm seine Unehrlichkeit und Hinterhältigkeit förmlich an. Wenn ich meine Termine bei ihm wahrnahm, behielt ich ihn im Auge und drehte ihm nie den Rücken zu.

Es kam auch wie es kommen mußte: Damals, kurz nach der Wende, wurde umstrukturiert, reformiert, gekürzt und rationalisiert bis die Balken brachen. Meine damalige Schwangerschaft ermöglichte ihm meine Versetzung. Seine derzeitige Bettgenossin bekam dann meinen Job. Alle Verstrickungen zu erklären, wäre viel zu kompliziert und auch überflüssig.

Nur zur Erklärung: ich habe mich in dieser Zeit über viele Dinge mehr und weniger geärgert. Damals war ich sehr jung, kannte meine Rechte in der neuen Gesellschaftsordnung noch nicht und hatte viele aufregende, positive Ereignisse im privaten Bereich zu verarbeiten. Wahrscheinlich habe ich deshalb nicht wirklich darunter gelitten. Heute gäbe es keine Frage: den Typen würde ich an die Wand nageln!

Mit ihren Intrigen hatten sie beide kein Glück, weder dienstlich noch privat. Er hat während seiner Dienstzeit so einigen Schaden angerichtet... Bei ihr ist nach meinen Informationen ebenfalls sehr vieles daneben gegangen. Ja, so ist das - Mobbing lohnt sich nicht!

Mittlerweile sind viele Jahre vergangen. Wenn ich den Typen bisher in der Stadt mal traf, habe ich ihn eher als eine Witzfigur oder wie eine Karrikatur wahrgenommen - nie als ehemaligen Chef, als Mensch oder gar als Mann. Im Gegenteil: über so viel Phantasie verfüge ich echt nicht, um bei diesem Anblick auch nur annähernd an Sex zu denken! Er hat sich selbst so viel Schaden zugefügt, dass es für zwei Leben locker reichen könnte. Böse bin ich ihm schon lange nicht mehr, was jedoch nichts daran ändert, dass er meschlisch gesehen für mich noch unter der letzten Schublade liegt.

Im Leben trifft man sich immer zweimal!

Letzte Woche befand ich mich mit unserem Töchterchen auf dem Heimweg - zu Fuß und voll bepackt mit Einkäufen. Wir hatten die Hälfte des Weges noch nicht geschafft, da stand plötzlich über uns eine schwarze Wolkenwand, Sturm zog auf und wir zwei waren weit entfernt von irgend einem schützenden Obdach. Gerade als ich das liebe Töchterlein antreiben wollte, hielt neben uns ein Auto. Der Fahrer lud uns gestisch ein mitzufahren.

Mama Inkonsequentia ("Mausi, steig niemals zu Fremden ins Auto!") half erst dem lieben Mädchen ins Auto, dann stieg ich selbt ein. Ich bedankte mich, sagte ihm, wo er uns wieder rauslassen könne - ich sah ihn an und mich traf der Schlag: japp! Genau, mein Uralt-Ekel! Mein Lieblingsfeind!

Ich weiß nicht, ob er mich wirklich nicht erkannt hatte oder ob er so wie ich tat, als wüßte er von nix... Er erzählte auf der relativ kurzen Fahrt, dass er sein Training hinter sich hatte, jetzt in den Garten müsse bei dem Unwetter, weil alles offenstand und beklagte sich über seine Frau, weil diese lieber zu Hause blieb bei den Wetter. Naja, manche Dinge ändern sich wohl nie.

Als er uns ans Ziel gebracht hatte, wir aussteigen wollten, bedankte ich mich nochmals bei ihm und wollte ihm noch ein paar leckere Erdbeerchen als kleine "Belohnung" schenken. Er meinte nur: "Vielen Dank, aber glauben Sie mir, ich habe wesentlich mehr Erdbeeren als Sie." Er wollte auch nicht überredet werden und so verabschiedeten wir uns noch einmal bedankend und kamen genau mit den ersten Regentropfen zu Hause an. Dann brach ein richtiges Unwetter herein - vom aller Feinsten! Sturm, Hagel, Wolkenbruch...

Nach einem solch heftigen Unwetter ist die Luft wieder klar, das Laub wieder grün, die Blumen duften - ein Aufatmen geht durch Natur, fast wie ein Neubeginn.

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